Wie die Digitalisierung Branchen verändert – und wie Unternehmen darauf reagieren können

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Lass uns doch einen Film aus der Videothek ausleihen!”

Was vor nur zehn Jahren noch als völlig legitimer Wochenend-Vorschlag durchging, erntet heute nur ein müdes Lächeln – oder fragende Gesichter. Das Ausleihen von DVDs ist überholt. Stattdessen genießt Video on demand, also das Streamen von Filmen und Serien direkt auf den privaten Bildschirm gegen eine monatliche Gebühr – etwa via Netflix, Amazon Prime, Sky, Maxdome – aktuell Hochkonjunktur.

Der CD erging es ähnlich – sie wurde von Napster (illegal) und iTunes (legal) vom Markt verdrängt; mit dem Bekanntwerden ein kleines schwedisches Startup namens Spotify gab es schließlich kein Zurück mehr.

Dies sind nur zwei, aber vielleicht die plakativsten Beispiele, wie sich ganze Branchen durch Digitalisierung verändern; mit Verlusten bei riesigen Playern auf der einen und Gewinnern, die innerhalb kürzester Zeit aus dem digitalen Nichts entstanden sind auf der anderen Seite.

Welches sind die nächsten Branchen, in denen der Endverbraucher deutliche Veränderungen spüren wird?

Vor wenigen Wochen gab Amazon sein Interesse am Kauf von Whole Foods, einer großen amerikanischen Bio-Supermarkt-Kette, bekannt und lenkt den Fokus damit unmissverständlich auf die Lebensmittel-Branche: Am Tag, an dem der Deal publik gemacht wurde, verlor die Konkurrenz (von Costco bis Walmart) insgesamt 22 Milliarden Dollar an Börsenwert, während der von Whole Foods um 28% anstieg.

Schon seit ein paar Jahren beschäftigt sich Amazon mit der Digitalisierung des Lebensmittel-Einkaufs, etwa in Form von „Amazon Fresh” (Lieferung eines digitalen Warenkorbs von Lebensmitteln innerhalb eines zweistündigen Zeitfensters am selben Tag), das bereits Prime-Mitgliedern in Berlin offen steht oder dem „Amazon Dash Button” (Lieferung bestimmter Produkte auf digitalen Knopfdruck), der bundesweit angeboten wird. Doch nun stehen dem Internet-Giganten gegebenenfalls auf einen Schlag über 450 Distributions-Filialen in ganz Amerika zur Verfügung.

Experten erwarten, dass Amazon daran verschiedene Service-Modelle erproben wird, wie etwa Supermärkte ohne Kassen (Bezahlung aller Artikel im physischen Warenkorb automatisch über den Amazon Account); Online-Shoppen, aber im Supermarkt abholen oder reines Online-Shopping mit Lieferung im selbstgewählten, zweistündigen Zeitfenster.

Daten sind die Währung – und Lebensretter – der Zukunft

Was Amazon mit seinen Produkt-Vorschlägen („Andere Kunden kauften auch…”) schon seit Jahren macht, wird in Zukunft mehrere Branchen grundlegend verändern. Big Data, also das Akkumulieren und Auswerten von (Kunden-)Daten, könnte z.B. das Gesundheitssystem revolutionieren. Muster von Erkrankungen können sichtbar gemacht werden und somit präventiv behandelt werden; die komplette Krankheits-Historie eines Patienten kann in wenigen Kilobyte verpackt und bei Bedarf und vor allem im Notfall schnell zugänglich und durchsuchbar gemacht werden.

Wissenschaftler von IBM konnten zusammen mit Forschern verschiedener Universitäten erfolgreich den Ausbruch von Dengue-Fieber und Malaria vorhersagen, indem sie Bevölkerungsdaten mit typischen Krankheitsverläufen verglichen. So konnten die Erkrankungen besser eingedämmt und Medikamente effizienter verteilt werden.

Vor ein paar Jahren wirkte der Film „Minority Report”, in dem Verbrechen noch bevor sie geschehen erkannt und die Täter gefasst werden, noch wie ferne Zukunftsmusik. Tatsächlich helfen Daten von Regional- und Kommunalbehörden aber schon heute, Schwierigkeiten in bestimmten Stadtteilen zu erkennen, bevor sie zum großen Problem werden.

Intelligente Wartungssysteme können mit Daten von Millionen von Maschinen befüttert werden und so Schwachstellen frühzeitig diagnostizieren– sei es in Aufzügen oder Landwirtschaftsmaschinen.

Doch was bedeuten die Veränderungen für Unternehmen und deren Arbeitnehmer?

Digitalisierung zeigt sich also in den verschiedensten Formen und wird in wenigen Jahren in mindestens einer dieser Formen in jeder Branche Einzug erhalten haben. Das bedeutet, dass den meisten Unternehmen große Veränderungsprozesse bevorstehen, um – mit der Unterstützung von kompetentem Personal – neue digitale Technologie zu implementieren.

Seit einigen Jahren drängt die erste Generation der Digital Natives, also derer, die in einer digitalen Welt mit Smartphones und Sozialen Netzwerken sozialisiert wurden, auf den Arbeitsmarkt.

Damit erhielten auch digitale Messaging-Dienste wie Skype und Slack sowie Kollaborations-Tools Google Drive oder trello Einzug ins Büro. Auch wenn die Absegnung dieser digitalen Helfer meist aus der Chef-Etage kommen muss, sind es häufig die Millennial-Mitarbeiter, die die Aufmerksamkeit darauf lenken.

Im Angesicht der bevorstehenden Veränderungen durch Digitalisierung in der Arbeitswelt, sollten Geschäftsleiter proaktiv die Weichen stellen. So haben in den letzten Jahren viele große, aus der Pre-Digital-Era stammende Unternehmen – von der Harvard Uni über McDonalds bis L’Oreal – erfolgreich die Rolle des Chief Digital Officers eingeführt. Die Schaffung und Besetzung dieser Position allein ist aber noch kein Garant für eine erfolgreiche digitale Transformation eines Unternehmens. Nur wenn der CDO tatsächliche Entscheidungs- und Umsetzungskraft hat, kann er seinen Job, die sprichwörtliche Transformation eines jahrzehntelang gewachsenen Business-Modells, erfolgreich ausführen.

Und das kann kurzfristig erstmal zu Verwunderung bei Kunden oder sogar sinkenden Umsätzen und Kanibalisierungseffekten führen. Bei Axel Springer versuchte man Ende der Nullerjahre bezahlten digitalen Content einzuführen – zum Ärger und Gespött von Kunden und Konkurrenz. Springer blieb hartnäckig und so kommen seit 2012 deutlich mehr als 50% der Umsätze aus digitalen Inhalten.

Amazon erweitert sein Geschäftsmodell kontinuierlich und bezieht bestimmte Überschneidungen einzelner Bereiche, wie sie etwa bei physischen vs. digitalen Büchern (Kindle) oder DVD vs. Streaming-Angebot vorkommen, gezielt in diese Planung ein – mit Erfolg.

Was Geschäftsführer – egal in welcher Branche – davon lernen können, um den Erfolg ihres Unternehmens langfristig zu sichern ist, unausweichliche Prozesse wie die Digitalisierung mit offenen Armen zu empfangen und gezielt auszusteuern. Das schließt ein, das eigene Business-Modell, auch wenn es schmerzt, dem digitalen Fortschritt anzupassen. Mitarbeiter mit digitaler DNA, die dabei helfen, gibt es mittlerweile zu genüge am Markt.