Flexible Arbeitszeitgestaltung: Zeitkonten auf dem Vormarsch

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Endlich durchatmen! Arbeitszeitkonten können den Traum von einer längeren Auszeit wahr werden lassen. Foto: rawpixel

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Das gilt nicht nur in finanziellen Dingen, sondern auch die Arbeit betreffend. Das Mittel der Wahl sind so genannte Arbeitszeitkonten, die eine individueller anpassbare Arbeitszeitgestaltung ermöglichen sollen. Ihre Verbreitung hat sich hierzulande seit 1999 nahezu verdoppelt, wie eine aktuelle Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergibt.

Mehr Arbeitszeitsouveränität und Flexibilitätsspielräume

Die Grundidee von Arbeitszeitkonten ist es, Beschäftigten mehr Arbeitszeitsouveränität zu verschaffen und Betrieben mehr Flexibilitätsspielräume zu eröffnen. Wie bei anderen Konten auch lassen sich Guthaben oder eben Schulden „erarbeiten“ – je nachdem, ob die erbrachte Arbeitszeit die vertraglich vereinbarte übersteigt oder hinter ihr zurückbleibt. Bundesweit führt heute gut jeder dritte Betrieb solche Zeitkonten, von denen mehr als die Hälfte aller Beschäftigten profitiert.

Verbreitung von Arbeitszeitkonten
Grafik: IAB

Eine erfreuliche Entwicklung angesichts einer sich wandelnden Arbeitswelt. Zumindest auf den ersten Blick. Denn schaut man sich die Analyse genauer an, wird deutlich, dass in Sachen Arbeitszeitkonten durchaus noch Luft nach oben ist. Denn zugenommen hat fast ausschließlich die Verbreitung sogenannter Kurzzeitkonten, auf denen Arbeitszeitguthaben oder -schulden innerhalb eines Zeitraumes von bis zu einem Jahr – oft auch kürzer – ausgeglichen werden müssen und die einen bestimmten Wert nicht überschreiten dürfen. Kurzzeitkonten sind vor allem dafür geeignet, Beruf und Freizeit im Alltag besser zu vereinbaren.

Viel Luft nach oben bei Langzeitkonten

Anders sieht es aus, wenn man für eine längere Freistellung etwa für ein Sabbatical oder einen früheren Renteneintritt sparen möchte. Sogenannte (separate) Langzeitkonten mit einem Ausgleichzeitraum von über einem Jahr, die Arbeitnehmern eine lebenslauforientierte Zeitgestaltung erleichtern sollen, werden auch heute nur von zwei Prozent der Betriebe angeboten, solche mit einem Ausgleichzeitraum von mehr als zwei Jahren gar nur von einem Prozent. Daran konnte auch ein Gesetz zur Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen von 2009 nichts ändern, das der Verbreitung von Langzeitkonten einen Schub geben sollte: Der Wert ist in den letzten 15 Jahren kaum gestiegen.

Ein wenig relativieren sich die Zahlen beim Blick auf die Beschäftigten, die Langzeitkonten theoretisch nutzen könnten: Immerhin acht Prozent aller Beschäftigten hätten Anspruch auf ein derartiges, oft auch Zeitwertkonto genanntes, Modell. Dies liegt daran, dass Betriebe mit 250 und mehr Beschäftigten deutlich häufiger Langzeitkonten anbieten. Tatsächlich in Anspruch genommen werden sie allerdings nur von etwa einem Viertel der Berechtigten, was insgesamt jedem fünfzigsten Arbeitnehmer in Deutschland entspricht.

Langzeitkonten nach Betriebsgröße
Grafik: IAB

Kosten-Nutzen-Verhältnis für viele suboptimal

Gründe für die nach wie vor wenig verbreiteten Langzeitkonten sehen die Autoren der Analyse in ihrer nicht ausreichenden Attraktivität für Arbeitgeber und darin, dass die gesetzlichen Regelungen als zu kompliziert empfunden würden. Auf Arbeitnehmerseite dagegen muss ein Guthaben, das für eine längere Auszeit reicht, natürlich erst einmal angespart werden. Oder anders ausgedrückt: Während sich der Nutzen solcher Konten erst langfristig einstellt, fallen die Kosten in Form von weniger Freizeit und/oder Einkommen unmittelbar an. Nicht jeder kann oder möchte sich das leisten. Hinzu kommen noch nicht vollständig gelöste Probleme, die etwa bei einem Wechsel des Arbeitgebers auftreten können. Schließlich stehen Langzeitkonten auch in Konkurrenz zur Kurzzeitflexibilität, da die dort angesparte Zeit nicht für einen kurzfristigen Freizeitausgleich – sei es für Familie, Hobby oder außerberufliche Verpflichtungen – zur Verfügung steht.

Dennoch – so das Fazit der Autoren – sind Arbeitszeitkonten sowohl für Betriebe als auch für ihre Beschäftigten ein wichtiges Instrument zu mehr Flexibilität. Ihre Bedeutung dürfte daher in der Zukunft weiter zunehmen. Den kompletten IAB-Kurzbericht findet ihr hier.

Falls ihr mehr zum Thema erfahren wollt: Am 26. Juli veranstaltet die Initiative Neue Qualität der Arbeit um 11 Uhr eine Expertendiskussion zum Thema Langzeitkonten als Webinar. Hier könnt ihr euch kostenfrei anmelden.