Neue Arbeitswelten und die Zukunftsformel: 3B+5K=3P

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Neue Arbeitswelten: Die Plantronics-Niederlassung in Hoofddorp bietet Raum für verschiedenste Arbeitsweisen und fördert durch ausgefeiltes Akustik-Management Zusammenarbeit, Konzentration und Produktivität. / Foto: Plantronics

Es ist an der Zeit, (Büro-)Arbeit neu zu denken.
Gastbeitrag von Bernd Fels.

Mit einer neuen Fläche, einer attraktiven Lage, neuem Design und neuen Möbeln ist es bei weitem nicht getan, wenn es darum geht, neue Arbeitswelten einzuführen.

Das optimale Zusammenspiel der „3B“ von Mensch / Organisation („Behaviour“), Raum („Bricks“) und Technik („Bytes“) ist das Ziel neuer Arbeitswelten, welche unwiderruflich Einfluss auf die Unternehmenskultur haben.

Der Personalabteilung kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, die Interessen der Organisation, wie z. B. Agilität, Flexibilität, Flächen- und Kostenoptimierung oder Innovationskraft, mit den Interessen der Mitarbeiter zu harmonisieren, denn: der Mensch mit seinen unterschiedlichen Bedürfnissen steht in Zeiten des „War for Talents“ und der zunehmenden Digitalisierung mehr denn je im Mittelpunkt. Er will verstehen, gehört und befähigt werden, partizipieren sowie mitgestalten.

Das Büro der Zukunft ist so vielfältig wie Ihre Mitarbeiter. Es bedarf eines partizipativen, visionären Weges, um ein nachhaltiges und frohschaffendes Konzept etablieren zu können.

Die folgenden zehn Entwicklungen / Trends / Annahmen zeigen auf, dass die Arbeitswelt sich bereits geändert hat und weiter verändern wird.

1. Arbeit kennt weder Ort noch Zeit, sondern nur das Ergebnis
Arbeit wird orts- und zeitungebundener und damit virtueller, weil die Büroarbeit überall verrichtet werden kann, es für die individuelle Lebenssituation gewünscht (z. B. Auszeit, Reduzierung Fahrwege) oder notwendig (z. B. Pflege der Eltern vor Ort) ist und vermehrt in unternehmensübergreifenden Netzwerkorganisationen an unterschiedlichen Orten, den „3P“ für Places, zusammengearbeitet wird.

2. Das Firmenbüro wird zum Ort des Austausches
Das Firmenbüro, „Second Place“, wird für vermehrt (teil-)virtuelle Netzwerkorganisationen zum Ort der Interaktion und des Wir-Gefühls mit einer hohen Erlebnis– und Aufenthaltsqualität. Das Büro wird zum Spiegel der Marke und zur Manifestation, Ausdruck der Unternehmenskultur. Büromonostrukturen mit behördenähnlichen Fluren und Einzelbüros oder endlosen unstrukturierten Großraumbüros werden der Vergangenheit angehören und durch kreative, unternehmensspezifische Konzepte abgelöst, da Vielfalt den Arbeitsalltag prägt. Es gilt, den optimalen Mix der „5K“ an Kommunikation, Kollaboration, Konzentration, Kreativität und Kontemplation zu finden. Von der Bürolandschaft bis zum Zellenbüro 2.0 ist alles möglich.

3. Home-Office als freiwillige Alternative unverzichtbar
Das Home-Office, „First Place“, ist als alternativer, freiwilliger Arbeitsort nicht mehr wegzudenken. Das gesetzliche Recht auf ein Home-Office wird kommen. Eine Weiterentwicklung des Home-Office hin zu gemeinschaftlich genutzten Quartierbüros ergänzt das Angebot. Anbieter sind: Wohnungsbauunternehmen, Städte, Länder oder private Communitys, wie z. B. die Anbieter des „Hoffice“, des Airbnb für Coworking-Spaces.

4. Flexibilität durch Optionenvielfalt in „Third Places“
Neben dem „First“ und „Second Place“ entstehen vermehrt „Third Places“ – Büros, besser bekannt als Coworking-Spaces, genutzt vornehmlich von Kleinstunternehmen, Freelancern und Kreativen. Doch „Third Places“ werden für immer mehr Mitarbeiter aus mittleren und großen Unternehmen eine echte Alternative, um „anders oder besser arbeiten“ zu können. Hochmobile Wissens- / Kreativarbeiter (Arbeitsentwickler) werden über ein Flächenbudget verfügen und sind völlig frei in der Ortswahl. Immer auf der Suche nach dem für ihren Anlass bestmöglichen Ort. Die Orte werden per App gesucht und gebucht. Arbeitsabwickler sind von der Ortsflexibilität nicht ausgenommen. Vermutlich wird es jedoch noch keine völlig freie Ortswahl geben, da Firmen die Oberhand (z. B. aus sicherheitsrelevanten Gründen) über die Angebote des Arbeitsortes haben wollen. „Home-Office“, „Hoffice“ oder Netzwerkbüros von befreundeten Unternehmen, die sich gegenseitig die Türen öffnen, können eine Lösung sein (siehe Idee der „Eckbüros“ der Initiative 3rdplaces).

5. Standardisierung weicht psychologischen, datenorientierten Konzepten
Der Trend für den optimalen Büroflächenmix ist eindeutig: weniger Büroflächen und mehr Sonderflächen. Mobile Technologien unterstützen die arbeitsplatzunabhängige, aber an Bedeutung weiter zunehmende Zusammenarbeit. Hierdurch sinkt die Anwesenheit am Schreibtisch, die sogenannte Inhouse-Abwesenheit steigt. Der Fokus der Büroplanung liegt somit vermehrt auf gut gestalteten, funktionalen, technologischen und ergonomischen Sonder- und Außenflächen. Die „klassische Büroplanung“ hat ausgedient. Architekturpsychologie kann bewusst z. B. zur Förderung von Kreativität und Interaktion eingesetzt werden. Kombiniert mit Datenanalysen (Bewegungs-, Kommunikationsanalysen) entstehen bereits in der Planungsphase perfekte „5K“-Büroarbeitswelten.

6. Sharing wird Usus im Büro
Nicht jeder Nutzer hat einen fest zugewiesenen Arbeitsplatz. Maßgeschneiderte Sharing-Konzepte halten aufgrund von ökonomischen (z. B. Flächen-, Umbau- und Umzugskosten), ökologischen (z. B. Ressourcenoptimierung, CO2-Reduzierung), gesellschaftlichen (höhere Teilzeitquote) und insbesondere arbeitsorganisatorischen Gründen (z. B. Netzwerkarbeit, wechselnde Teamgrößen, Förderung
Wissensaustausch, unterschiedliche Arbeitsorte) vermehrt Einzug in die Büroplanung. Sharing als reines Kostenoptimierungsprojekt wird scheitern, es gilt, bessere Flächen (Größe, Qualität, Design, „5K“) für besseres und anderes Arbeiten vorzuhalten. Das Sharing von Schreibtischen ist der Anfang, gefolgt von Gebäuden (siehe Entwicklung 4) sowie von Mitarbeitern (Crowdsourcing).

7. Negative Folgen der alten Büroflächenplanung werden spürbar
Flächeneffizienzeinsparungen je Arbeitsplatz, überzogene Standardisierungen und der Trend zu offenen, unstrukturierten Bürokonzepten haben ihren Höhepunkt erreicht. Die negativen Folgen (Unproduktivität, Gesundheitsprobleme, Demotivation etc.) werden Unternehmen und Mitarbeiter noch lange spüren. Die Schaffung von „Wahlfreiheiten“ durch ein ausgewogenes (3B+5K=3P) und zur Unternehmenskultur passendes Büroflächenangebot für „bunte“ Mitarbeiter ist die Lösung.

8. Digitalisierung ermöglicht Partizipation aller Beteiligten
Mitarbeiter werden demokratischer auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt mit einbezogen. Online-Abfragen, Live-Votings, Bewegungs- und Interaktionsprofile, partizipative Planungsmethoden sowie Augmented-Reality-(AR)- und Virtual-Reality(VR)-Lösungen finden im Planungsprozess Anwendung.

9. Von Management zu Führung
Führung wird nicht durch Statussymbole, wie das Recht auf ein Einzelbüro oder auf eine bessere Möblierung, manifestiert. Führungskräfte führen auf Augenhöhe und sind Teil der neuen Arbeitswelt. Flächenstandards entlang von Hierarchiestufen gehören der Vergangenheit an. Die vorgelebte Führungskultur wird zu einem wichtigen Erfolgsgaranten bei der Einführung einer neuen Arbeits- und Bürokultur. Genauso wie die Mitarbeitenden müssen Führungskräfte beteiligt und befähigt werden.

10. Zukunftsfähige Organisationen gestalten proaktiv und treiben den Wandel
Organisationen mit einer eigenen Vision und Strategie zur Zukunft der Arbeit und des Büros, die nicht blind anderen hinterherlaufen und die für ihre Organisation die Notwendigkeit eines partizipativen Arbeitsweltenentwicklungs- und -veränderungsprozesses erkennen, unterstützen und begleiten, werden die wertschöpfendsten und wertschätzendsten Arbeitgeber der Zukunft sein.

Über den Autor:
Bernd Fels ist Mitgründer von if5 anders arbeiten, if5 design und dem OffX sowie Initiator der Initiative 3rdplaces. Er berät und referiert zu neuen Arbeits- und Bürowelten. Sein Motto: Frohes Schaffen!

Dieser Beitrag erschien ursprünglich unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE im Handbuch HR-Management und wurde hier durch interne Verlinkungen ergänzt.