Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter

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Deal! Eine Vertrauenskultur bei der Arbeit fördert u.a. Motivation und Produktivität. | Foto: rawpixel.com

Ein Aspekt, der bei der Diskussion um flexiblere Arbeitsgestaltung immer wieder auftaucht, ist der der Kontrolle: Die Sorge um das, was die Mitarbeiter etwa im Homeoffice tun – oder eben nicht tun – dürfte auch heutzutage noch viele Führungskräfte umtreiben. Dass die Antwort auf die Frage, wie es gelingen kann, die Produktivität des Mobile Workers oder Homeoffice-Fans zu gewährleisten, aber gerade nicht „Kontrolle“ lautet, legt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nahe, für die sowohl Daten aus Befragungen ausgewertet als auch experimentelle verhaltensökonomische Untersuchungen mit Nachwuchsführungskräften durchgeführt wurden.

Exkurs: Vertrauen im sozialen und ökonomischen Kontext

Dass die Frage nach Vertrauen und Kontrolle gerechtfertigt ist, zeigt ein kurzer Exkurs in die Soziologie und Ökonomie. Auf der einen Seite bildet Vertrauen die Basis zahlreicher sozialer und ökonomischer Interaktionen. Vertrauen erleichtert zum Beispiel zwischenmenschliche Beziehungen durch emotionale Stabilität, führt zu geringeren Transaktionskosten und reduziert Komplexität. Kontrolle hingegen führt in der Regel zu mehr Komplexität und höheren Transaktionskosten.

Auf der anderen Seite neigt der Homo oeconomicus – so zumindest eine ökonomische Theorie – dazu, sich eigennützig zu verhalten und den individuellen Nutzen zu maximieren. Dass dieses Verhalten verstärkt beim mobilen Arbeiten, bei dem eine direkte Kontrolle fehlt, auftreten könnte, liegt nahe. Ist Vertrauen also doch gut, Kontrolle aber besser?

Höhere Arbeitszufriedenheit durch Vertrauenskultur

Bezogen auf die Arbeitszufriedenheit und das Konfliktpotenzial am Arbeitsplatz definitiv nicht. Eine in der Studie vorgenommene Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP, 2014) zeigt, dass Vertrauen statt Kontrolle insgesamt deutlich bessere Bedingungen am Arbeitsplatz bewirkt. Mit zunehmender Kontrolle steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, auch die Arbeitszufriedenheit leidet unter ihr: Sind Arbeitnehmer strengen Kontrollen ausgesetzt, ist weniger als die Hälfte von ihnen mit ihrer Arbeit zufrieden. Am zufriedensten sind Mitarbeiter dagegen, wenn sie nicht kontrolliert werden, ihnen also vertraut wird.

Grafik: IW

Kein positiver Effekt auf Produktivität durch Kontrolle

Und auch bezüglich der Produktivität ist eine Vertrauenskultur weit zielführender als eine auf Kontrolle basierende. Die These, dass Kontrolle zu besserer und schnellerer Verrichtung der Arbeit führt, ließ sich durch eine in der Studie durchgeführte Auswertung der European Working Conditions Survey (2017) nicht stützen. Nur für zwei Prozent der Befragten spielte die direkte Kontrolle des Vorgesetzten hier eine Rolle. Vielmehr orientieren sich die Angestellten an ihren Kollegen, den Anforderungen von Kunden und an Leistungszielen. Ein leistungssteigernder Effekt durch Kontrollen ist somit kaum zu erwarten.

Grafik: IW

Dass es sich wohl eher genau andersherum verhält, legt auch ein in der Studie zitiertes Experiment nahe, das sich auf die intrinsische Motivation von Arbeitnehmern konzentriert: Diese sei zwar immer vorhanden, wenn der Arbeitgeber sich jedoch dazu entschied, den Arbeitnehmer nicht mehr zu kontrollieren, wählte dieser im Schnitt eine doppelt so hohe Arbeitsanstrengung wie unter Kontrolle.

Auch kooperatives Verhalten, Offenheit und Ehrlichkeit sowie Kreativität und Lernbereitschaft profitieren von einer Vertrauenskultur – die letztere beiden zwei Kompetenzbereiche, die in den kommenden Jahren sehr wahrscheinlich stark an Bedeutung gewinnen werden.

Experiment: Benötigen Menschen für kooperatives Verhalten Kontrolle?

Diese Befunde legen nahe, dass eine Vertrauenskultur im Unternehmen einer starken Kontrolle gegenüber zahlreiche Vorteile hat. Gelingt es Unternehmen also, den Prozess aus Kontrolle und Misstrauen zu durchbrechen – so die These – könnten diese insgesamt erfolgreicher sein. Grundvoraussetzung dafür seien jedoch Mitarbeiter, die sowohl selbst vertrauen als auch vertrauenswürdig sind. Entscheidend ist dabei ihr Verhalten, wenn Wechselwirkungen zwischen (monetärem) Nutzen und sozialen Präferenzen bestehen. Anders ausgedrückt: Benötigen Menschen Kontrolle, damit sie sich nicht wie der Homo oeconomicus rational und eigensüchtig verhalten, sondern kooperativ, fair und sozial?

Dieser Frage ist die Studie in ihrem empirischen Teil nachgegangen, für die Nachwuchsführungskräfte drei spieltheoretischen Experimenten unterzogen wurden: dem Vertrauensspiel, dem Kooperationsspiel und dem Diktatorspiel. Anders als das Modell des Homo oeconomicus nahelegt, konnte in den Experimenten festgestellt werden, dass die befragten Nachwuchsführungskräfte vertrauensvoll und vertrauenswürdig waren, kooperierten und bereit waren, Geld, Informationen und Güter mit anderen zu teilen. Das Bild eines rein rational auf Gewinnmaximierung fokussierten Mitarbeiters konnte also nicht bestätigt werden.

Fazit: Vertrauen schafft direkten Wettbewerbsvorteil

Die Autoren der Studie leiten aus ihren Ergebnisse einen direkten Wettbewerbsvorteil für Unternehmen ab, in denen Angestellte eine gelebte Vertrauenskultur vorfinden. Bestimmt dagegen Kontrolle die Kultur eines Unternehmens, sinken die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter. Insgesamt lässt die Studie einen optimistischen Blick in die Zukunft zu: Ihre Ergebnisse zeigen, dass Nachwuchsführungskräfte ein hohes Maß an Vertrauen, Kooperation und Fairness besitzen.

Für die Unternehmenspraxis bedeuten diese Erkenntnisse, dass zur Förderung von Vertrauen im Unternehmen Mitarbeiter rekrutiert werden sollten, die neben fachlichen vor allem die nötigen sozialen und persönlichen Eigenschaften mitbringen. Die Etablierung einer Vertrauenskultur endet aber nicht mit der Rekrutierung, vielmehr stellt sie einen kontinuierlichen Prozess dar. Interessanterweise können in diesem Prozess gerade Homeoffice und Co. eine wichtige Rolle spielen: Es zeigte sich nämlich auch, dass Mitarbeiter mit flexiblen Arbeitsmodellen nicht nur von einer Vertrauenskultur profitieren, sondern selbst auch eher dazu neigen, anderen Menschen zu vertrauen, die Vertrauenskultur also ihrerseits fördern.