Home Office im verarbeitenden Gewerbe: Status Quo 2017

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Das Thema Home Office hat sich in den letzten Jahren in vielen großen und mittelständischen Unternehmen etabliert. Fast jeder, der in einem modernen Unternehmen arbeitet, hat es selbst schon mal genossen, Aufgaben in Ruhe von zu Hause zu erledigen, anstatt im lauten Großraumbüro, wo ständig das Telefon klingelt oder der Kollege am Tisch gegenüber laut telefoniert.

Das Fraunhofer IAO (Institut für Arbeit und Organisation) hat vor Kurzem eine Studie zu örtlich selbstbestimmter Arbeit veröffentlicht. Grundlage hierfür war eine IG-Metall-Beschäftigtenbefragung mit über 680.000 Teilnehmern aus ganz Deutschland, die zum Großteil im verarbeitenden Gewerbe tätig waren. Ergänzt wurde die Befragung durch Umfragen zu Spezialthemen wie “Mobile Arbeit” und “Work-Life-Balance” in ca. 360 ausgewählten Betrieben.

Zunächst untersuchten die Studienleiter das reine Angebot mobilen Arbeitens in den Betrieben. Demnach konnte in 39% der Unternehmen im zweiten Quartal 2016 örtlich flexibles Arbeiten in Anspruch genommen werden. Zu Bedenken ist hier, dass die Untersuchung vorwiegend im verarbeitenden Gewerbe stattfand. Das ist insofern der Rede wert, dass mobile Arbeit auch hier Fuß zu fassen scheint. Es ist anzunehmen, dass die Zahl in modernen Bürobetrieben wesentlich höher ist.

Ein entscheidender Faktor ist außerdem die Betriebsgröße. In Unternehmen mit unter 500 Mitarbeitern stand 29% der Mitarbeiter die Möglichkeit mobil zu arbeiten offen; bei Betrieben mit über 500 Mitarbeitern stieg die Zahl rasant auf 53% an.

Wie oben angedeutet, ist auch die Branche mitentscheidend, wenn es um das Thema mobile Arbeit geht. Während in handwerklichen Betrieben nur knapp 30% der Beschäftigten die Chance auf Home Office haben, genießen fast 80% der Mitarbeiter in IT-Dienstleistungsunternehmen dieses Angebot.

So stellten die Studienleiter fest, dass Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit die Basis für das Angebot mobilen Arbeitens darstellen und erstellten eine Pyramide der Faktoren, die dieses Angebot beeinflussen (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Faktorpyramide für das Angebot des örtlich flexiblen Arbeitens (Eigendarstellung der Studienleiter)

Nach Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit, folgt demnach die Art der Tätigkeit. Schichtarbeiter können aus offensichtlichen Gründen wenig bis gar nicht mobil arbeiten. Auch Mitarbeiter, die in der Produktion tätig sind, genießen selten das Angebot von örtlich flexibler Arbeit.

Als nächste Ebene im Pyramidenmodell wurden sogenannte Gruppenspezifika definiert. Hierunter verstehen die Studienleiter betriebliche Regelungen und Vorgaben zu den Voraussetzungen des Angebots mobiler Arbeit. Dazu zählen sozial akzeptierte Gründe, wenn ein Mitarbeiter z.B. Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen hat, aber auch die Ebene, auf der ein Mitarbeiter tätig ist. Im verarbeitenden Gewerbe können nur 15% der Beschäftigten ohne Führungsverantwortung örtlich flexibles Arbeiten in Anspruch nehmen, aber 41% der Mitarbeiter mit Führungsverantwortung. Im Dienstleistungsgewerbe sind es bereits 20% der Beschäftigten ohne Führungsverantwortung und 64% der Führungskräfte.

Während die bisherigen Ebenen noch sehr grundlegende Voraussetzungen für das Angebot mobiler Arbeit darstellen, sind die folgenden zwei Abstufungen spezifischer: das spezielle Arbeitsumfeld eines Mitarbeiters sowie personenbezogene Faktoren.

Mit Arbeitsumfeld sind die technischen und sicherheitstechnischen Voraussetzungen, wie ein Arbeitszimmer zu Hause oder die Gewährleistung der Aufrechterhaltung der Datenschutzbestimmungen außerhalb der Betriebsstätte gemeint. Je nach Tätigkeit kann der Mitarbeiter das eine oder andere nicht gewährleisten und somit das Angebot von Heimarbeit – obwohl vorhanden – nicht annehmen.

Bei den personenbezogenen Faktoren handelt es sich in den allermeisten Fällen um Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern das Arbeiten von Zuhause (oder sonstwo außerhalb des Betriebes) nicht zutrauen und der Möglichkeit des mobilen Arbeitens, selbst wenn vom Betrieb genehmigt, einen Riegel vorschieben.

Nur wenn alle beschriebenen Ebenen die Voraussetzungen für mobile Arbeit bieten, wird Beschäftigten auch ein Angebot zu örtlich selbstbestimmter Arbeit gemacht.

Neben der Klärung der notwendigen Bedingungen und wie unterschiedlich diese je nach Branche und Betriebsgröße ausfallen, untersuchte die Studie außerdem, wie mobile Arbeit bewertet wird.

Hier zeigt sich deutlich, dass das Bedürfnis nach örtlich flexibler Arbeit omnipräsent existiert: Über 90% der Befragten bewerten mobiles Arbeiten positiv. 86% derer, die örtlich flexibel arbeiten können, schätzen die Möglichkeit, Arbeit und Privatleben so besser miteinander vereinbaren zu können.

Allerdings legte die Studie auch offen, was Angestellte hemmt, mobile Arbeit tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Teilnehmer äußerten Bedenken, dass es aufgrund einer starken Präsenzkultur im Betrieb und Terminen mit Anwesenheitspflicht schwierig wäre, das Angebot tatsächlich anzunehmen. Auch die Zusammenarbeit mit Kollegen, die möglicherweise leiden könnte, scheint ein Grund zu sein, das Angebot örtlich flexiblen Arbeitens nicht oder nur selten zu realisieren.

Die Studie schließt mit dem Fazit, dass die Möglichkeit örtlich flexiblen Arbeitens stark vom Beschäftigtenumfeld abhängt und dass es noch viele betriebsinterne Faktoren gibt, die, selbst wenn das Angebot grundsätzlich vorhanden ist, Mitarbeiter daran hindern, es in Anspruch zu nehmen. Hier sind eine fehlende Vertrauenskultur zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sowie fehlendes Vertrauen unter den Kollegen, aber auch eine immer noch dominante Präsenzkultur die ausschlaggebenden Hindernisfaktoren, an denen weiter gearbeitet werden sollte.

Dies lässt sich nur durch einen gesamtheitlichen kulturellen Wandlungsprozess lösen, der von der Geschäftsführung initiiert und forciert wird.