Digitalisierung: Alles disruptiv, oder was?

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Digitale Transformation: Aller Anfang ist schwer / Foto: Federica Galli on Unsplash

Digitalisierung und Digitale Transformation – Schlagworte, die auch hier immer wieder auftauchen. Was hinter diesen Buzzwords steckt, sollte eigentlich klar sein. Eigentlich. Dass es das nicht ist, hat Digitalisierungs-Experte Alain Veuve jüngst in einer Abrechnung zu diesem, wie er es nennt, „Business-Dumpfbacken-Thema“ halb resigniert, halb trotzig aufgezeigt: „Jeder spricht darüber. Vor allem Non-Sense.“ Gerade in den Chefetagen mangele es dem Schweizer zufolge an echtem Verständnis für das Thema. Allzu häufig werde Digitale Transformation mit disruptiven Geschäftsmodellen gleichgesetzt, soll ein (potenzieller) zweiter Schritt also vor dem ersten gemacht werden.

Digitalisierung als Adaptionsverlauf begreifen

Dabei ist es doch so viel einfacher: Digitalisierung von Unternehmen bedeutet zunächst einmal im Wesentlichen, das bestehende Geschäftsmodell mit digitalen Mitteln abzuwickeln. Essenziell ist dabei, zu erkennen, wann sich eine Technologie in der Breite durchsetzt und darauf eine angemessene Reaktion zu finden. Veuve hat dazu ein Modell entworfen, das den Prozess der Digitalisierung im Kern veranschaulicht.

Digital Transformation Model – CC BY Alain Veuve

Kurz gesagt wird hier unterschieden zwischen einer technologischen Entwicklung als Treiber der digitalen Transformation, einer gesellschaftlichen Adaption dieser Technologien und schließlich der Reaktion der Unternehmen auf diese Adaption. Die Annäherung der Adaptionskurve der User an die Technologie-Entwicklung wird dabei als gesellschaftliche digitale Transformation bezeichnet, die der Unternehmen an jene der User als digitale Business-Transformation.

Bleibt essenziell: das Kunden-Bedürfnis

Wie erfolgreich ein Unternehmen in Sachen digitaler Transformation ist, kann also auch daran erkannt werden, wie groß die Lücke zwischen User- und Unternehmens-Adaption von technologischem Fortschritt ist. Dass Unternehmen dabei auch über das Ziel hinausschießen können, macht Veuve am Beispiel eines Unternehmens deutlich, dass zu einer Zeit, als der Bedarf am Online-Shopping noch nicht besonders groß war, viel in den eCommerce investierte und damit krachend scheiterte. Das Unternehmen hatte ein Angebot geschaffen, das der gesellschaftlichen Adaption der Technologie voraus war. Unternehmen sollten sich in der digitalen Transformation also zuallererst am wirklichen Kunden-Bedürfnis orientieren und nicht rein an den technischen Möglichkeiten.

Das klingt natürlich erstmal wenig spektakulär – und genau darin dürfte das von Veuve beklagte Missverständnis in vielen Chefetagen begründet sein: Uber, Blockchain, AI oder Elon Musk – die Wahrnehmung des Themas Digitalisierung wird zumeist von disruptiven Geschäftsmodellen, innovativen Technologien und visionären CEOs geprägt. Das gibt es natürlich alles und sicherlich nicht nur (aber eben vor allem) im Silicon Valley. Für den Großteil der Unternehmen hierzulande scheint aber noch das kleine Einmaleins der Digitalisierung anzustehen, um den Vorsprung internationaler Wettbewerber aufzuholen, wie auch eine aktuelle Studie des Bitkom zeigt.

Fazit: First things first – aber zackig!

Dass dies schnell passieren muss, daran besteht kein Zweifel, denn natürlich verändert die Digitalisierung nicht nur Geschäftsprozesse, sondern auch Geschäftsmodelle. Nur sollte man das Eine eben nicht vor dem Anderen angehen. First things first. Denn die großen Herausforderungen müssen auf einer soliden Grundlage angegangen werden. Oder wie Veuve es formuliert: „Gegen das Schaffen von neuen Businessmodellen bei laufendem Betrieb ist die Digitalisierung ein Treppenwitz.“ Da kann man nur hoffen, dass uns das Lachen nicht im Halse stecken bleibt.