Virtuelle Assistenten: Heinzelmännchen des digitalen Zeitalters

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Laptop - wichtigstes Utensil der meisten Virtuellen Assistenten. / Foto: Unsplash
Laptop - wichtigstes Utensil der meisten Virtuellen Assistenten. / Foto: Unsplash

Neben dem Buzzword “Digitalnomade”, macht seit einigen Jahren eine weitere Berufsbezeichnung in der Freiberufler-Szene von sich reden – der virtuelle Assistent, kurz VA. Die fortschreitende Digitalisierung von Unternehmen macht es möglich, dass diese zeitaufwendige, keine Fachkraft erfordernde Aufgaben outsourcen. Für den VA sind das meist Routine-Aufgaben wie Recherche oder Content einpflegen, die nur einer kurzen Einweisung bedürfen.

Der Vorteil für das Unternehmen liegt auf der Hand: Für zeitaufwendige Tasks muss nun nicht mehr der gut bezahlte Mitarbeiter mit Fachwissen seine Zeit “verschwenden”, sondern sie werden parallel von günstigeren VAs erledigt, während die Fachkraft sich den wichtigen, für den Unternehmenserfolg relevanten Tätigkeiten widmen kann.

In Deutschland hat ein Spiegel-Bestseller aus dem Bereich der Manager-Lektüre das Konzept des virtuellen Assistenten maßgeblich beflügelt: Timothy Ferriss’ “Die 4-Stunden-Woche”. Ferriss entdeckte auf einer 15-monatigen Weltreise, dass er seine Firma auch in vier Wochenstunden von unterwegs führen konnte – indem er zeitaufwendige Aufgaben an digitale Assistenten übertrug.

Buchen lassen sich die digitalen Helfer mittlerweile auf zahlreichen Plattformen. t3n hat eine sehr gute Übersicht erstellt, in der sechs verschiedene Plattformen getestet wurden. Kriterien waren Reaktionszeit, erster Eindruck, Standort und Stundensatz. Der höchste Satz lag hier bei 22 Euro, der niedrigste bei 4,99 Euro. Das wirft natürlich schon die ersten Fragen auf: Kann Arbeit, die zu einem Stundenlohn von 4,99 Euro erledigt wird, gute Arbeit sein? Und wie fair ist dieser Lohn (von dem zudem noch die Provision für die Plattform abgeht) für den VA?

Wir wollten der Sache auf den Grund gehen und haben uns zum Interview mit Natalie Stark, die sich gerade als VA selbstständig gemacht hat, verabredet.

Natalie Stark arbeitet erfolgreich ortsunabhängig – als Virtuelle Assistentin
Natalie Stark arbeitet erfolgreich ortsunabhängig – als Virtuelle Assistentin

Was sind deiner Erfahrung nach die typischen Aufgaben einer Virtuellen Assistentin?
Als virtuelle Assistentin unterstützte ich meine Kunden in verschiedensten Bereichen – von Backoffice über Marketing bis hin zu Rechercheaufgaben. Spezialisiert habe ich mich allerdings auf meine Kernkompetenzen Online-Marketing und Social Media.
Bei Assistenz denkt man ja schnell mal an eine Sekretärin, aber eine VA macht weitaus mehr als die Ablage oder irgendwelche Termine zu koordinieren. Der Job ist sehr vielseitig und abwechslungsreich. An eine VA kann man vieles auslagern, was einen selbst zu viel Zeit kostet oder vom Kerngeschäft abhält. In meinem Fall kann der Kunde z. B. die gesamte Social-Media-Kommunikation abgeben, das reicht von Contentstrategie über Redaktionsplan, Grafiken für Postings, Seiten- und Gruppenmoderation bis hin zum Reporting oder dem Text für den nächsten Newsletter. Somit gibt der Kunde diesen Bereich in Expertenhände und kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren.
Das Tolle ist, dass ich von so ziemlich jedem Ort auf der Welt für Kunden Aufgaben erledigen kann – Arbeitsort, Arbeitszeit und den Arbeitsumfang kann ich als VA weitgehend frei bestimmen. Das ist der ideale Einstiegsjob, für jemanden der langfristig ortsunabhängig arbeiten möchte – sei es, um zu Hause bei den Kindern zu sein, um zu reisen oder um ganz einfach freier und nach der eigenen Energiekurve arbeiten zu können.

Für welche Branchen können VAs arbeiten?
Im Grunde ist das für jede Branche möglich, denn jede Branche hat ihr Kerngeschäft und die damit verbundenen Aufgaben, die an das Kerngeschäft andocken wie Marketing, Buchhaltung usw. Diese eignen sich meist gut zum Outsourcen.
Meine Kunden übergeben mir z.B. Marketing-Aufgaben, weil sie entweder keine Experten darin sind oder weil es sie zu viel Zeit kostet. Virtuelle Assistenten schaffen ihren Kunden den nötigen Freiraum, den Sie für langfristige Strategien und für die Fokussierung auf das Wesentliche brauchen.

Welche Ausbildung sollte ein VA haben?
Die Ausbildung oder das Studium sind eher zweitrangig. Klar ist es hilfreich, wenn man z.B. Marketing studiert oder eine Buchhalterausbildung gemacht hat – sprich, sich Expertenwissen in einem bestimmten Bereich von Grund auf angeeignet hat. Unterm Strich kommt es aber auf die Erfahrung an, die man in der Praxis gesammelt hat – und natürlich auf Selbstdisziplin, Eigenmotivation und eine gute Arbeitsmoral. Man kann daher auch sehr gut als Quereinsteiger VA werden. Um ein Beispiel zu nennen: Carina von um180grad.de war ursprünglich Krankenschwester, inzwischen ist sie erfolgreiche Online-Unternehmerin. Angefangen hat sie als Bloggerin und VA – sie hat sich alles Step by Step selbst beigebracht. Mit Eigeninitiative lassen sich viele grundlegenden Tools und Programme schnell erlernen.

Womit sollte sich ein VA besonders gut auskennen?
Ein bis zwei Kernkompetenzen zu haben, ist sehr sinnvoll. Absolute Voraussetzungen sind natürlich ein routinierter Umgang mit dem Computer und eine hohe Internetaffinität. Eine VA sollte flexibel sein, eine schnelle Auffassungsgabe haben und ein gutes Gefühl für Menschen, da man sich häufig nicht von Angesicht zu Angesicht kennenlernt, sondern via Skype oder Hangout.
Es ist auch sehr wichtig, sich gut mit diversen Tools zur Online-Kommunikation und zum Projektmanagement auszukennen, die sozusagen das virtuelle Office der VA bilden. Da gibt es z.B. Trello, Asana, Slack, Skype, Appaer, Hangouts – aber natürlich auch die klassische E-Mail. Zur gemeinsamen Ablage und Bearbeitung von Dokumenten gibt es dann z.B. Google Drive, Dropbox oder box. Durch die richtige Kombination dieser Tools läuft die Zusammenarbeit meist unkompliziert.

Was verdient man als VA?
Von 6 bis 50 Euro aufwärts die Stunde ist alles möglich. Hierbei kommt es auf die Expertise, Erfahrung und die Selbstvermarktung an. Ich kann nur jeder VA empfehlen, sich auf ein bis zwei Bereiche zu spezialisieren und sich darin als Experte zu positionieren. Eine ordentliche Website und ein guter Auftritt auf Xing und LinkedIn sind ein Muss. Von Plattformen, die Billiglöhne bieten, sollte man sich fernhalten. Über die im erwähnten Artikel genannten Plattformen hinaus gibt es natürlich auch unabhängige VAs und provisionsfreie Plattformen wie z.B. fernarbeit.net. Hier verhandeln VA und Kunde direkt und auf Augenhöhe den Stundenlohn miteinander.

Grundsätzlich würde ich empfehlen, Kunden im D-A-CH-Raum zu suchen. Sobald man englischsprachige Auftraggeber sucht, begibt man sich in den Preiswettbewerb mit Freelancern und VA-Plattformen aus aller Welt – bei dem geringen Lohnniveau der meisten Wettbewerber kommt man da auf keinen akzeptablen Stundenlohn.

Erzähl uns zum Schluss doch noch wie du dazu kamst, VA zu werden.
Ich bin 2014 über die DNX auf das Modell des ortsunabhängigen Arbeitens gestoßen und war sofort begeistert. Ich wusste, das ist genau mein Lebensmodell. Ich dachte allerdings die ganze Zeit, ich bräuchte dafür ein eigenes Online-Produkt oder ähnliches. Erst Ende 2015 habe ich von der Möglichkeit der virtuellen Assistenz erfahren und Anfang 2016 erste “Gehversuche” nebenberuflich gestartet. Ich war begeistert, wie gut es klappt, wie viel Spaß es macht und wie viel man dabei noch dazulernt. Im Mai habe ich dann für die DNX als VA angefangen, viel näher kann man am ortsunabhängigen Arbeiten nicht dran sein. Der Funke ist dann komplett übergesprungen und von da an ging alles relativ schnell. Telefonate mit der IHK, ein paar Gespräche mit anderen virtuellen Assistentinnen und meinen Goal Buddies aus der Mastermind Gruppe plus ein gutes Bauchgefühl und ich habe meinen Job gekündigt, um meinen Traum von Selbstständigkeit und Ortsunabhängigkeit zu leben. Inzwischen habe ich Kunden aus den Bereichen Coaching, Wohnimmobilien, E-Book- und Hörbuch-Produktion, vegane Ernährung, Sport und Reisen, für die ich in erster Linie Online-Marketing-Konzepte und Social-Media-Strategien stricke.