Die Spezies Digitaler Nomade – Teil 1

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Foto: Alejandro Escamilla / Unsplash
Foto: Alejandro Escamilla / Unsplash

Seit einigen Jahren gibt es eine neue Spezies unter den Digital-Arbeitern: Menschen, die dank des Internets ihrer Arbeit ortsunabhängig nachgehen können – neben Bloggern vor allem Softwareentwickler, Online Marketeers oder Webdesigner. In Deutschland hat der Trend zum Digitalen Nomadentum durch das 2006 erschienene Buch “Wir nennen es Arbeit” von Sascha Lobo und Holm Friebe Aufschwung erhalten. Und spätestens seit der ersten Konferenz, der DNX 2014 in Berlin, weiß jeder, der in einem der oben genannten Bereiche arbeitet, was Digitale Nomaden sind. Doch was treibt die Menschen an, die den Bürostuhl gegen den Sessel im Café oder die Hängematte auf einer thailändischen Insel tauschen?

Wir haben uns mit sechs Digitalen Nomaden über ihre Motivation, den 9-to-5-Job hinter sich zu lassen, unterhalten. Herausgekommen sind sechs individuelle Einblicke, die zeigen sollen, in welchen Bereichen, vor welchem Hintergrund und mit welchen Voraussetzungen man sich entscheiden kann, das Digitale Nomadentum als Lifestyle zu wählen.

Los geht’s im ersten Teil mit den häufiger vorkommenden Arten der Spezies Digital Nomade: den Reisebloggern, Grafikern und Online-Marketeers.

Digitale Nomaden: Die weite Welt ist ihr Büro - Foto: Death to the Stock Photo
Reisen und darüber bloggen – für viele ein Traumjob. Doch die Konkurrenz ist groß – Foto: Death to the Stock Photo

Die Reiseblog-Nomadin

Eva (28) konnte sich schon immer fürs Reisen begeistern: Südamerika, Asien, Osteuropa – es gibt keinen Kontinent, auf den sie noch nicht Fuß gesetzt hätte. Vor zwei Jahren hat sie ihren Job als Online-Redakteurin bei einem großen deutschen Medienportal an den Nagel gehängt und ihren eigenen Reiseblog aufgebaut. Ihre Wohnung in München hat sie untervermietet und reist seitdem durch die Weltgeschichte. Und schreibt ihre eigenen Geschichten – über die Reiseziele, die sie besucht und in denen sie meist ein paar Wochen bis mehrere Monate verbringt. Finanzieren kann sie sich durch die Werbung, die auf ihrem Blog ausgespielt wird. Das war natürlich nicht von Anfang an so. Deshalb startete sie in Südostasien, wo der Lebensunterhalt günstig, aber das Wifi meist stark ist. Danach ging es nach Nord- und Südamerika. Sobald sie genug Geld für den Flug hat, möchte sie weiter nach Australien und Neuseeland. “Weil meine Community sich das wünscht”, lacht Eva und klappt das MacBook zu.

So verdient Eva Geld: Durch Werbeeinblendungen auf ihrem Blog; gelegentlich schreibt sie auch Artikel für andere Reise- oder Newsportale.

Voraussetzung, um Reiseblog-Nomade zu werden: Lust am Reisen, sehr guter Schreibstil

Hat den Trend zur Digitalisierung früh erkannt: Grafikdesigner Aaron - Foto: privat
Hat den Trend zur Digitalisierung früh erkannt: Grafikdesigner Aaron – Foto: privat

Der Design-Nomade

Aaron (44) hat Grafikdesign studiert, als es das Internet, wie wir es heute kennen, noch nicht gab. Das, was er im Studium in Washington D.C. lernte, war auf die Print-Branche ausgerichtet. Gott sei Dank erkannte er früh – im Gegensatz zu so manchem großen Print-Medium – dass digital die Designwelt revolutionieren würde. Und so eignete er sich Photoshop (und später den Rest der Creative Suite) an, von der allerersten Version an. Von der Geburtsstunde des modernen Internets an hatte er Kunden, für die er Websites, Newsletter-Designs und später Apps umsetzte. Die ersten kamen aus D.C., doch schnell kamen auch Kunden aus Boston oder New York hinzu. Mittlerweile lebt er zu ungefähr gleichen Teilen in D.C., New York und Berlin. “Letzten Winter war es sowohl in D.C. und New York als auch hier in Berlin bitterkalt, da bin ich einfach für sechs Wochen zu einem Freund nach Chile gegangen. Meine Kunden kriegen das meist gar nicht mit, ich bin ja immer erreichbar und arbeite auch manchmal extra zeitversetzt”, sagt Aaron. Von den modernen, hip eingerichteten Co-Working Spaces, die derzeit in jeder Großstadt aus dem Boden sprießen, hält er nicht allzu viel: “Zu viel Ablenkung. Ich arbeite lieber von zu Hause aus und teile mir meinen Arbeitstag selbst ein als mich an irgendwelche Öffnungs- oder Lunch-Zeiten zu halten.”

So verdient Aaron Geld: Er hat einen soliden Kundenstamm in den USA und projektweise Kunden in Berlin, für die er hauptsächlich Webdesign umsetzt.

Voraussetzung, um Design-Nomade zu werden: Exzellente Kenntnisse in allen gängigen Grafikprogrammen, großes Netzwerk

Dank Video Conferencing und Online-Tools lassen sich viele Kunden ortsunabhängig betreuen - Foto: Death to the Stock Photo
Dank Video Conferencing und Online-Tools lassen sich viele Kunden ortsunabhängig betreuen – Foto: Death to the Stock Photo

Die Marketing-Nomadin

Lys (33) kommt aus Tallinn und hat Marketing studiert. Das Arbeiten in einer Werbeagentur wurde ihr nach dem Studium aber schnell zu eintönig. Da sie ein Marketing-Allrounder ist, begann sie, nebenbei kleinere Firmen zu beraten, Online-Kampagnen für sie umzusetzen oder Newsletter für sie zu texten. Das funktionierte so gut, dass Sie sich bald vollständig davon finanzieren konnte und ihren Agentur-Job kündigte. Und das Beste: All ihre Kunden kann sie online betreuen. Ein Skype-Call hier, ein Google Hangout da – alles andere läuft über E-Mail, Telefon oder Online Projektmanagement Tools. Da sie nun nicht mehr an ein Büro oder feste Arbeitszeiten gebunden war, begann sie zu reisen – immer mit dem Laptop im Gepäck, versteht sich. Nachdem sie längere Zeit in Indonesien und Thailand war, lebt sie jetzt in Barcelona. Hier hat sie ihren Freund kennengelernt, der sich erstmal an ihr “unstetes” Arbeitsleben gewöhnen musste – denn wenn sie Lust hat, packt Lys ihre sieben Sachen und ist dann erstmal ein paar Wochen weg. Mindestens zweimal im Jahr geht es aber auch für eine längere Zeit zurück nach Tallinn. “Nur dort fühle ich mich richtig zu Hause, das brauche ich dann ab und zu!”, sagt sie.

So verdient Lys Geld: Sie hat einen kleinen Kundenstamm in Estland und einen größeren über die ganze Welt verteilt, für den sie Online-Kampagnen umsetzt, Newsletter textet und Social-Media-Kanäle betreut.

Voraussetzung, um Marketing-Nomade zu werden: Online Marketing Know How, sehr gute Englisch-Kenntnisse, großes Netzwerk

Demnächst im zweiten Teil: Die Multitalent-Nomadin, der Programmier-Nomade und die Paleo-Nomadin