Recht auf Stille? Die Geschichte des Antilärmvereins

0
Der Antilärmverein sehnte sich nach einer Welt frei von städtischem Lärm / Foto: Unsplash.com

Der negative Einfluss von Lärm auf Wohlbefinden und Produktivität ist heute unbestritten. Schlechte Akustik am Arbeitsplatz führt bei Angestellten zu Konzentrationsproblemen und die Effektivität von Unternehmen wird durch ein lärmintensives Arbeitsumfeld deutlich geschwächt (siehe dazu die Noise at Work Survey 2015).

Doch störende Geräusche am Arbeitsplatz sind kein neues Problem: Schon Wagner, Goethe, Schiller, Kant und Schopenhauer klagten über den Lärm, der sie in ihrer geistigen Tätigkeit behinderte. Um die Wende zum 20. Jahrhundert erreichte der Krach allerdings ein bislang ungekanntes Ausmaß – insbesondere in den rasant wachsenden Großstädten. Neben Verkehrsgeräuschen und der Lautstärke von Fabriken führte auch die verstärkte Technisierung von Alltag und Haushalt zu einer deutlichen Konzentration des Lärms für den Einzelnen.

Die Gründung des Antilärmvereins

Als Reaktion auf die zunehmende Lärmbelästigung brachte der Philosoph und Schriftsteller Theodor Lessing im Jahr 1908 sein Buch „Der Lärm. Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens“ heraus und gründete im selben Jahr den Antilärmverein. Den geistig Arbeitenden bescheinigte Lessing, besonders stark unter der kontinuierlichen Zunahme von Lärm zu leiden. Der Lärmpegel stelle eine Gefahr für kulturelle Leistungen und die Gesundheit dar. „Kultur ist Entwicklung zum Schweigen!“, schrieb Lessing.

Mithilfe der eigenen Publikation „Antirüpel“ verschaffte sich der Antilärmverein Gehör.
Mithilfe der eigenen Publikation „Antirüpel“ verschaffte sich der Antilärmverein Gehör.

Als Sprachrohr des Vereins erschien die Zeitschrift „Der Antirüpel. Antirowdy. Das Recht auf Stille“, in der Anti-Lärm-Umfragen, Artikel über berühmte lärmgeplagte Persönlichkeiten und sogar „Lärmlyrik“ veröffentlicht wurde. Störende Geräusche und lärmende technische Erfindungen prangerten die Autoren als „Menschheitsquäler“ an. Besonders hatte es der Verein auf Phonographen und Grammophone abgesehen und wollte eine Steuer gegen den „Musikmissbrauch“ durch diese Geräte einführen.

Technologie zur Reduzierung von Geräuschen

Moderne Technologien wurden von der Antilärmbewegung vorwiegend als Verursacher des Lärms kritisiert. Andererseits informierte der „Antirüpel“ über neue Erfindungen zum Schutz vor Lärm wie dem „Antiphone“, einem Gerät zur Reduzierung von Geräuschen, oder einer besonders geräuscharmen Schreibmaschine.

Da die vehement vorgetragene Forderung nach Stille aus Sicht der Allgemeinheit wohl doch etwas übertrieben war, erntete der „Antilärmverein“ neben einer gewissen Zustimmung auch reichlich Spott von Bevölkerung und Medien. Seine Erfolge in der Bekämpfung störender Geräusche blieben letztlich überschaubar. Hätte Lessing nur damals schon die Möglichkeit gehabt, einfach ein Headset mit Active Noise Cancelling Technologie aufzusetzen… er wäre sicherlich ein glücklicherer Mensch gewesen.