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Zukunft der Arbeit: Wertewelten bestimmen Erwartungshaltung

Zukunft der Arbeit: Wertewelten bestimmen Erwartungshaltung

Die Gefahr lauert überall: Je spezialisierter das Thema, mit dem man sich beschäftigt, und je homogener das eigene Netzwerk, desto mehr droht der Tunnelblick. Das ist auch beim Thema Arbeit nicht anders. Nicht jeder träumt vom Dasein als Digitaler Nomade, nicht für jeden steht Selbstverwirklichung im Zentrum des Schaffens. Auch Schubladen für ganze Generationen werden der Realität nur sehr bedingt gerecht. Möchte man wissen, was Arbeit dem Menschen heute und künftig bedeutet, lohnt vielmehr ein scharfer Blick über den Tellerrand. Wie pluralisiert das Erleben der heutigen Arbeitswelt, aber auch der Blick in die Zukunft hierzulande ist, offenbart jetzt eine Studie von nextpractice. In ihr wurden 1.200 Menschen dazu befragt, wie sie die aktuelle Arbeitswelt erleben und welche Arbeitswelt sie sich für die Zukunft wünschen.

Mehrheit empfindet eigene Arbeitssituation (noch) nicht als ideal

Bezüglich der Arbeitszufriedenheit zeichnet die Studie ein zwiespältiges Bild. Während lediglich ein Fünftel der Befragten die aktuelle persönliche Arbeitssituation als ideal empfindet, sieht sich knapp die Hälfte heute weit vom eigenen Idealbild von Arbeit entfernt. Weitaus optimistischer ist dagegen der Blick in die Zukunft: Hier kehrt sich das Bild quasi um, fast jeder Zweite erwartet, dass die persönliche Situation im Jahr 2030 nah am Idealbild liegen wird. Optimistisch betrachtet wird vor allem die Entwicklung bezüglich der Mitgestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten.

Wertewelten abseits soziodemografischer Merkmale

Doch wie sieht dieses Idealbild eigentlich aus? Interessanterweise dienen soziodemografische Trennlinien zur Definition dieser Wunschvorstellungen von Arbeit, aber auch der Befürchtungen und Ablehnungen nicht viel. Vielmehr konnte die Studie sieben unterschiedliche Wertewelten identifizieren, die jeweils einer bestimmten, in sich konsistenten und beschreibbaren Sichtweise auf das Thema Arbeit entsprechen. Und diese sind durchaus heterogen besetzt. Oder andersherum ausgedrückt: Eine Zuordnung der Befragten zu den Wertewelten ist alleine über bestimmte soziodemografische Merkmale nicht möglich.

Folgende Wertewelten konnten die Autoren identifizieren:

  • „Sorgenfrei von der Arbeit leben können“: Arbeit ist Mittel zum Zweck, sie gehört zum Leben, nimmt aber einen zunehmend fordernden Platz ein.
  • „In einer starken Solidargemeinschaft leben“: Arbeit bedeutet in erster Linie Loyalität, Wertschätzung, Teilhabe und Zusammenhalt.
  • „Den Wohlstand hart erarbeiten“: Die Entwicklung der Arbeitswelt wird kritisch betrachtet, es herrscht aber die Überzeugung, dass jeder, der sich wirklich anstrengt, es zu etwas bringen kann.
  • „Engagiert Höchstleistungen erzielen“: Zunehmender Leistungsdruck und Verantwortung werden nicht als etwas Negatives, sondern vielmehr als Ansporn und Motivation erlebt.
  • „Sich in der Arbeit selbst verwirklichen“: Es werden vor allem Chancen in der Arbeitswelt gesehen: Sich immer wieder neu erfinden und spannende Aufgaben zu übernehmen, macht die ideale Arbeitswelt aus.
  • „Balance zwischen Arbeit und Leben finden“: Eigenverantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten im Job sind essenziell, allerdings wird Wert auf eine Balance zwischen Arbeit, Familie und Selbstverwirklichung gelegt.
  • „Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“: Im Zentrum stehen neben sozialer Gerechtigkeit vor allem Sinnstiftung, Altruismus und Entfaltungsmöglichkeiten, die nicht (nur) in der Erwerbsarbeit zu finden sind.

Erwartungshaltungen an die Zukunft

Mit diesen Wertewelten verbunden ist auch oben erwähnte grundsätzliche Erwartungshaltung an die Zukunft. Während Befragte, die den Welten „Sich in der Arbeit verwirklichen“, „Engagiert Höchstleistungen erzielen“ und „Balance zwischen Arbeit und Leben finden“ zuzuordnen sind, insgesamt eine sehr positive Entwicklung erwarten (positiv in dem Sinne, dass die von ihnen angestrebten Themen relevanter und die abgelehnten Themen weniger relevant werden), blicken Mitglieder der Welten „Sorgenfrei von der Arbeit leben können“, „In einer starken Solidargemeinschaft arbeiten“ und „Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“ deutlich pessimistischer in die Zukunft. Ambivalent beurteilen Vertreter der Wertewelt „Den Wohlstand hart erarbeiten“ die Entwicklung der Arbeitswelt. Sie erwarten sowohl eine Relevanzzunahme als auch -abnahme in beiden Themenbereichen, d.h. bestimmte von ihnen gewünschte Bereiche sehen sie in der Zukunft gestärkt, andere eher geschwächt.

Spannungsfeld Flexibilisierung der Arbeit

Die pluralisierte Betrachtung der Arbeit wird auch an aktuellen Tendenzen wie der Flexibilisierung von Arbeit deutlich. Telearbeit und mobile Arbeit etwa werden nicht nur mit Selbstbestimmung, sondern auch mit Leistungsdruck und sozialer Kälte verbunden – je nachdem, wen man fragt. Während insbesondere die Gruppen „Engagiert Höchstleistungen erzielen“, „Sich in der Arbeit selbst verwirklichen“ und „Balance zwischen Arbeit und Leben finden“ flexible Arbeitsmodelle ausgesprochen positiv betrachten, sehen die Gruppen „Sorgenfrei von der Arbeit leben können“ und „Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“ diese deutlich kritischer. Insgesamt stehen aber die Vertreter von fünf der sieben Wertewelten einer zeitlich und räumlich flexiblen Arbeitsgestaltung positiv gegenüber und erhoffen sich für die Ausgestaltung individueller Lösungen Unterstützung in Form von geeigneter Rahmensetzungen durch Arbeitgeber und Politik.

Digitalisierung: zwischen Gestaltungsmöglichkeiten und Entgrenzung

Ein ähnliches Bild zeigt das Themenfeld Digitalisierung der Arbeit. Diese wird einem Teil der Befragten quasi ausschließlich als Hilfsmittel am Arbeitsplatz betrachtet, während andere eine mit ihr einhergehende Entgrenzung der Arbeitswelt hinein ins Private und entsprechenden Druck befürchten. Mehr noch als im Themenfeld Flexibilisierung lassen sich am Themenfeld Digitalisierung grundsätzliche Sichtweisen wiedererkennen. Mitglieder der Wertewelten „Engagiert Höchstleistungen erzielen“ und „Den Wohlstand hart erarbeiten“ betrachten die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt primär unter dem Aspekt individueller Leistungsfähigkeit als neue Herausforderung: höhere Arbeitseffizienz und positiver Stress durch ständige Herausforderungen und Übernahme von Verantwortung werden begrüßt, Digitalisierung ist Mittel zum Zweck. Vertreter der Wertewelt „Sich in der Arbeit selbst verwirklichen“ betonen vor allem die Eigenverantwortung des Individuums im Umgang mit neuen Technologien, sehen aber für Politik und Arbeitgeber die Aufgabe, entsprechende Möglichkeitsrahmen zu schaffen.

Demgegenüber sehen Vertreter der Wertewelten „Sorgenfrei von der Arbeit leben können“, „In einer starken Solidargemeinschaft leben“ und „Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“ eher die negativen Aspekte der Digitalisierung: Sie kritisieren zunehmenden Druck und Stress durch eine voranschreitende Rationalisierung der Arbeit. Für viele ist die persönliche Arbeitsbelastung längst am Limit angekommen, Befragte der Wertewelt „Balance zwischen Arbeit und Leben finden“ äußern gar die Sorge vor Burn-out und anderen stressbedingten Krankheiten.

Einig sind sich die Befragten aller Wertewelten darin, dass zwischen den 1990er und den 2000er Jahren ein massiver qualitativer Umschwung in der Arbeitswelt stattgefunden hat, in dessen Folge die Arbeit einen größeren Stellenwert im Leben eingenommen hat – auf Kosten von Hobbys und Privatleben. Interessant ist, dass ebenfalls über alle Wertewelten hinweg die Einschätzung vorherrscht, dass der Höhepunkt hier bereits erreicht wurde.

Ausblick: plurale Angebote für vielfältige Ansprüche nötig

Die Studie macht zwei Dinge deutlich: Erstens wird Arbeit unabhängig von soziodemografischen Faktoren auf ganz unterschiedliche Weise betrachtet. Stempel wie „Generation Y“ taugen nicht dazu, die Anforderungen an eine moderne Arbeitsgestaltung zu definieren. Die Bedürfnisse und Anforderungen, die Arbeitnehmer bezogen auf ihre Tätigkeit haben, bleiben auch in Zukunft individuell. Zweitens verbinden sich gerade mit dieser Zukunft große Hoffnungen – aber auch Befürchtungen und Ängste. Dass die große Mehrheit ihre aktuelle persönliche Situation als nicht ideal betrachtet, jeder Zweite dieses Idealbild aber in der Zukunft erwartet, zeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Dies wird auch an aktuellen Trends der Arbeitswelt wie Flexibilisierung und Digitalisierung deutlich. Verbindet sich für einen Teil der Befragten damit Perspektive und Potenzial, sehen andere darin wachsenden Druck und Entfremdung. Hier wird es in der Zukunft darum gehen, plurale Angebote zu schaffen, die den vielfältigen Bedürfnissen und Ansprüchen von Arbeitnehmern gerecht werden.

Die komplette Studie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ kann hier heruntergeladen werden.

2 COMMENTS

  1. Ich denke man kann nicht so verallgemeinern. Wer einen schlecht bezahlten Job hat, oder sogar mehrere Jobs haben muss um sich über Wasser halten zu können, wird seine Situation selbstverständlich nicht als perfekt ansehen und das wohl auch nicht in den nächsten 15 oder 30 Jahren. Jemand mit Hochschulabschluss der bereits heute arbeitet wie blöd und sich hochackert wird in 15 Jahren einen perfekten Job erwarten. Vielleicht jetzt eine Stelle ausüben die nicht perfekt ist, ihn aber dort hin bringen wird wo es perfekt sein wird. Sorgenfrei von der eigenen Arbeit leben können sollten eigentlich alle die in Deutschland arbeiten, leider ist dem nicht so. Wer (hart) arbeitet sollte auch dementsprechend entlohnt werden. Das man einen Job nicht als perfekt empfindet, wenn man davon mehr schlecht als recht leben kann liegt auch auf der Hand und erklärt wieso so viele nicht mit ihrem Job zufrieden sind. Arbeiten in Zukunft könnte so aussehen: http://blog.newsearch.de/ai-arbeiten-im-jahr-2050/

  2. Interesanter Artikel. Das Streben nach Glück. Zufriedenheit ist immer relativ und einem völlig selbst überlassen.

    Gibt es nicht Tellerwäscher die die glücklichsten Menschen zu seien scheinen. Liegt das an Ihrem Umfeld oder einkommen? Weiß ich nicht. Man ist völlig selbst in der Verwantwortung eigene Erwartungen und Möglichkeiten zu optimieren.

    Im Grunde können wir alle in Deutschland mehr als gut Leben. Wenn Leben aber heißt ein beinahe Luxus Lebenstil zu pflegen, werden die meisten wohl schnell an die Grenzen stoßen bzw. enttäuscht.

    Muss ich mich bspw. messen mit Mitbürgern denen Grundbesitz & Wohlstand in den Schoß gelegt wurden? Ich glaube nicht, das leben bietet mehr, Reichtum bedeutet auch nicht gleich Glückseligkeit.

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