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Siegeszug der Projektwirtschaft – Wie Unternehmen heute Wissensarbeit organisieren

9. September 2010 Jan-Philipp Sonnenberg Noch kein Kommentar

CC by lumaxart
Monolithische Abteilungen und pyramidale Hierarchien, das galt lange als Organisationsmuster großer Unternehmen. Nach dem Vorbild der arbeitsteiligen Industrieproduktion wurde viel zu lange auch die Wissensarbeit strukturiert. Doch ist klar, dass definierte Prozesse und abgesteckte Kompetenzen nicht mehr zeitgemäß sind, wenn Innovation und Wissenstransfer im Mittelpunkt der Wertschöpfung stehen.

Wie eine Studie des Ludwigshafener Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) zeigt, hat sich daher heute auf breiter Front das Organisationsmuster der „betrieblichen Projektwirtschaft“ durchgesetzt. Die im Auftrag des Personaldienstleisters Hays durchgeführte Befragung von 239 großen und mittleren Unternehmen liefert erstmals eine sorgfältige Bestandsaufnahme der neuen Strukturen.

Was ist betriebliche Projektwirtschaft?
Als „Projektarbeit“ bezeichnen die Autoren der Studie dabei eine spezielle Organisationsform in Unternehmen: „Sie bezieht sich auf Gruppen von Mitarbeitern (Projektteams), die in zeitlich und thematisch begrenzten Projekten eingesetzt werden. Dies kann einen Teil oder aber die gesamte Arbeitszeit von Mitarbeitern umfassen.“

Plastisch wird der Begriff aber erst, wenn man die Strukturen der Projektteams beachtet, wie sie im Zuge der Befragung zum Vorschein kamen. Denn diese sind in der Mehrzahl alters- und qualifikationsübergreifend zusammengesetzt und versammeln Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmensabteilungen und Hierarchieebenen.

Wenn man so will, sind Projektteams wesentlich dazu da, eine Allround-Kompetenz abzubilden und die Nachteile der Spezialisierung aufzuwiegen. Maximale Umsicht und ein unverstellter Blick aufs Ganze, das macht das Wesen der Projektteams aus. Nicht von ungefähr nennen die Befragten als wichtigstes Motiv für Projektarbeit die „bessere Bewältigung von komplexen Frage- und Aufgabenstellungen“.

Während Projekte in der Vergangenheit lediglich für außergewöhnliche Aufgabenstellungen eingerichtet wurden, stellt die IBE-Studie nun fest, dass Projektarbeit mittlerweile zum Tagesgeschäft gehört und in den Unternehmen als vorteilhaftes Organisationsmodell für die Wissensarbeit anerkannt wird. Daher sprechen die Autoren von einem Übergang zur „Projektwirtschaft“.

Welche Branchen machen mit?
Zur Verbreitung der Projektwirtschaft liefert die Studie erstmals Zahlen: 74% der befragten Unternehmen verfügen bereits über projektwirtschaftliche Strukturen. Allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Rund ein Drittel der Unternehmen hat bereits eine „größtenteils projektwirtschaftliche Organisation“. In ihnen erfolgen zwischen 60 und 100 Prozent der Arbeit in Projektform. Zudem ist sie tendenziell in mittelständischen Betrieben weiter verbreitet als in Großunternehmen.

Je nach Branche ergeben sich allerdings deutliche Unterschiede. Mit einem Anteil von über 60 Prozent Projektwirtschaft liegt die IT klar vorn. Marketing und PR, Sales und Kundenberatung, Forschung und Entwicklung sowie die Personalabteilung folgen mit Werten um 40 Prozent. Auf den hinteren Rängen finden sich die Finanzabteilungen, Produktion, Einkauf und die Rechtsabteilungen.

Arbeitsstile
Welche räumlichen und zeitlichen Strukturen hat die Projektwirtschaft? Wie genau kollaborieren betriebliche Projektteams? Wie das IBE festgestellt hat, arbeiten Projektbeteiligte meist getrennt voneinander, entweder in verschiedenen Räumlichkeiten am gleichen Standort (43%) oder in verschiedenen Niederlassungen (28%). Nur vergleichsweise selten teilen sich Projektmitglieder einen gemeinsamen Arbeitsraum (20%). Die Autoren erklären das aus der Doppelfunktion der Teilnehmer. Sie sind zum großen Teil immer auch noch in traditionelle Arbeitsabläufe eingebunden.

Eine rein virtuelle Organisation z.B. über Collaboration-Tools ist dagegen noch nicht weit verbreitet. Nur in rund jedem fünften Unternehmen lässt sich diese Form der Zusammenarbeit beobachten. Eine Abstimmung zwischen den Teammitgliedern und die individuelle Kooperation erfolgen daher im Wesentlichen innerhalb persönlicher Meetings, die dann häufig zu definierten Milestones und Projekt-Deadlines aufgesetzt werden. Eine „Flexibilisierung physischer Arbeits- und Unternehmensstrukturen im projektwirtschaftlichen Sinn“ ist daher aus Sicht der Autoren noch nicht zu verzeichnen.

Kommunikation
Auch die genutzten Kommunikationsmittel wurden von der Studie ins Auge gefasst. Allerdings leider etwas stiefkindlich. So wurde zwar die Nutzung „moderner Kommunikationstechnologien“ abgefragt. Darunter verstehen die Autoren jedoch soziale Netzwerke, Media-Sharing-Plattformen, „Collaborative Technologies“, Wikis und sogar Blogs. Und sie zeigen sich verwundert: „Im Hinblick auf die Anforderungen an ein effi zientes Wissensmanagement überrascht insbesondere die spärliche Nutzung von Wikis und Blogs.“

Die eigentlichen Zugpferde der Kommunikation, nämlich Email, Messaging und Audio bleiben allerdings unscharf. Wir erfahren lediglich: „Neben Telefon und E-Mail sind daher vor allem Telefon- und Videokonferenzen von Bedeutung, die von 52 Prozent der Unternehmen teilweise genutzt werden.“ Hier hätte es sich bestimmt gelohnt, noch mehr ins Detail zu gehen.

Quo Vadis Unternehmenswelt?
Fasst man die Ergebnisse zusammen, dann lässt sich vielleicht sagen: Mit dem Übergang zur betrieblichen Projektwirtschaft sind die Unternehmen dem Industriezeitalter bereits ein ordentliches Stück entronnen. Im Direktvergleich mit virtuell agierenden globalen Kreativunternehmen, wie sie etwa Markus Albers in „Meconomy“ schildert, machen die befragten Unternehmen dagegen den Eindruck eines langsam beidrehenden Supertankers.

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