Buchtipp: „Meconomy“ von Markus Albers

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Wie wollen wir in Zukunft leben und arbeiten? Wie kaum ein zweiter Autor in Deutschland widmet sich Markus Albers den Veränderungen unserer Arbeitswelt im Zeitalter von Globalisierung und Internet. Nach seinem programmatischen Debüt „Morgen komm ich später rein“ (Campus, 2008) legt der 40-jährige Journalist und Autor jetzt mit „Meconomy“ einen mitreißenden Nachfolger vor.

Allerdings mit einem leicht verschobenen Fokus. Hatte Albers in seinem letzten Buch noch die Chancen für mehr Freiheit innerhalb der Festanstellung ausgelotet, geht es ihm diesmal um berufliche Selbstständigkeit in einer durchaus radikalen Form. „Meconomy“: so lautet Albers Formel für ein neue globale Entrepreneur-Kultur im wachsenden Segment der Kreativwirtschaft. Diese sieht er als wirksame Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Nicht umsonst lautet der Untertitel seines Buches: „Wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden – und warum wir uns jetzt neu erfinden müssen.“

Zunächst liefert „Meconomy“ eine Reihe spannender Einblicke in die aktuellen Veränderungen in den Produktions- und Absatzmechanismen der Weltwirtschaft. Mit zunehmender Ausdifferenzierung der digitalen Ökonomie beginnen traditionelle Geschäftsmodelle zu bröckeln. Konzernstrukturen erweisen sich als zu schwerfällig, um die immer kürzeren Innovationszyklen organisatorisch abzubilden. Wie die Finanz- u. Wirtschaftskrise gezeigt hat, bietet selbst die Festanstellung bei vermeintlich krisenfesten globalen Playern nicht mehr die erhoffte ökonomische Sicherheit.

Die Zukunft sieht Albers daher in kleinen vernetzten Startups mit geringen Startinvestitionen. Eine neue Klasse web-versierter Entrepreneure steht demnach bereits in den Startlöchern, um eigene neue Produktideen in den Markt zu werfen, im Handumdrehen webgestützte Absatzmechanismen aufzubauen und ihre Angebote mittels effizientem Viral-Marketing (Social Media etc.) praktisch über Nacht bekannt zu machen. Selbst anspruchsvolle Produktionsvorgänge lassen sich Albers zufolge heute vermehrt outsourcen, so dass die Kleinunternehmen der Meconomy kaum mehr als ihr eigentliches Ideenkapital, ihre Organisationskraft und eben ihre Begeisterung mitbringen müssen. Sollte etwas schiefgehen, ist Zeit draufgegangen, nicht jedoch Geld. Mit etwas Talent, vor allem aber mit aufrichtiger Begeisterung ist es für Kreative heute leichter denn je, weltweit Anhänger zu finden und sich gleichsam zum Anführer eines eigenen „Stammes“ (Seth Godin) im World Wide Web aufzuschwingen.

Gegenüber diesen kleinen agilen Playern, so Albers Analyse, müssen große Unternehmen mit ihren sperrigen „Innovationsabteilungen“ in Sachen Tempo, Kreativität und Zielgruppen-Involvement zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Zumal es ihnen laut Albers heute immer schwerer fällt, den kreativen Nachwuchs für den eigenen Betrieb zu gewinnen und zu binden.

Hier berührt sich nun bei Albers die ökonomische Analyse mit der Beobachtung eines tief greifenden Wandels des modernen Arbeits-Ethos. Die Meconomy ist für ihn nicht nur die Antwort auf die Unsicherheit der Wirtschaft. Sie ist zugleich Ausdruck und Ideal eines neuen Lebensstils, der wie nie zuvor beansprucht, Gelderwerb mit einem ausbalancierten, sinnerfüllten Leben zu vereinbaren. Die Entrepreneure der Meconomy, so Albers, empfinden die heutige Arbeitswirklichkeit mit ihren Hierarchien, Routinen und Anpassungszwängen als kraftraubend und ideenfeindlich. Ihr entgegen setzen sie Modelle des flexiblen und mobilen Arbeitens, freie selbstständige Fortbildung sowie einen (halb-)nomadischen Lebensstil, der Reisen und Arbeiten produktiv verbindet. Für Albers macht es die Meconomy mit ihren Long-Tail-Absatzmechanismen möglich, persönliche Vorlieben und Steckenpferde, ja selbst skurrilste Nischenangebote erfolgreich zu monetarisieren. Das schmerzhafte Einpassen in bestehende Produktions- und Absatzstrukturen entfällt.

In seinem Buch lässt Markus Albers keine Gelegenheit aus, den Leser zu einem Gang in diese Art von Selbstständigkeit zu ermuntern. Neben der offenen Schilderung seines eigenen Lebens zwischen verschiedenen Wohn- und Arbeitsorten enthält sein Buch auch zahlreiche praktische Anregungen, wie das freie, aber dafür eben auch anspruchsvollere Arbeitsleben der Meconomy gelingen kann. Dazu liefert Albers zahlreiche Ratschläge aus dem Selbstmanagement, dem Selbstmarketing und dem Wissensmanagement (z.B. Lifehacking) bis hin zu konkreten Arbeitstechniken wie etwa der Planung des Arbeitstages oder dem intelligenten Leeren des Email-Postfachs. Wie schon in seinem Vorgängerbuch illustriert Albers seine Thesen durch zahlreiche Interviews und Gespräche mit Arbeits- und Glücksforschern, Unternehmensgründern, Web-Aktivisten und Lifestyle-Pionieren aus aller Welt. Ganz nebenbei erhält der Leser zudem einen umfassenden Überblick über die Literatur zu diesem Thema, die zumeist aus dem Mutterland des Unternehmertums, den USA, stammt (Jeff Jarvis, Seth Godin, etc.).

Doch neben seinem Glücksversprechen wagt Albers auch einen kritischen Blick auf die Meconomy. Wer eignet sich überhaupt für ein Leben als globaler Kreativunternehmer? Wer werden die Gewinner sein, wer die Verlierer? Was muss sich im Arbeitsrecht und den Sozialsystemen tun, damit Meconomy lebbar wird? Wie müssen sich Bildungssysteme ändern, um Menschen auf die Meconomy vorzubereiten? Zu guter letzt: Wie lässt sich Meconomy zu einer global-sozialen Weconomy ausbauen?

Fazit

MeConomy_kleinEs ist nicht zuletzt dieser Blick aufs Ganze, der „Meconomy“ zu einer gleichermaßen ökonomisch, politisch und soziologisch lesenswerten Bestandsaufnahme macht. Analysen, Beispiele und Interviews ergeben ein schlüssiges Gesamtbild einer Arbeitsgesellschaft, die sich zu einem bisher ungekannten Maß an persönlicher Freiheit, aber auch einer radikaleren Selbstverantwortung bekennt.

Wie stark sich unsere Wirtschaftsordnung auch nach dem erwartbaren Wiederanziehen der Konjunktur tatsächlich in Richtung einer Meconomy bewegen wird, wie sie uns Markus Albers schildert, bleibt natürlich abzuwarten. Dass sein jüngstes Buch eine Entwicklung auf den Begriff bringt, die sich in zahlreichen Erwerbsbiografien heute immer stärker andeutet, und dass es einfach Lust auf das Experiment mit der Ich-Wirtschaft macht, ist sein wichtigstes Verdienst. Wenn alles gut geht, wird „Meconomy“ eine Art Weckruf für die kreative Elite im zögerlichen Deutschland.

Ach ja: Auch die Erscheinungsweise von „Meconomy“ ist neu: Der Titel erscheint zunächst als E-Book (Libri, Ciando) bzw. als iPhone-Applikation im iTunes Store. Eine nachträgliche Print-Ausgabe des 320 Smallscreens langen Werks ist aber angedacht. Alles Details zur Veröffentlichung gibt es ab sofort auf der neuen Meconomy-Site.