„Allow us to be Humans!“ – Zum Abschluss des Innovationscamp Palomar5

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Wie stellt sich die Generation der „Digital Natives“ die Arbeitswelt der Zukunft vor? Welchen Beitrag können junge Menschen, die sich weltweit per Twitter und Facebook vernetzen, leisten, um die globalen Menschheitsprobleme in den Griff zu bekommen?

Es waren weitgesteckte Ziele, die sich das Innovations-Camp Palomar5 auf die Fahnen geschrieben hatte. 30 junge Entrepreneure und Tüftler aus der ganzen Welt zogen sich Anfang Oktober für rund 6 Wochen in die ehemalige Malzfabrik in Berlin-Schöneberg zurück, um Antworten auf diese Fragen zu finden und nach Möglichkeit erste Prototypen zu entwerfen.

Am Montagmorgen wurden die Ergebnisse nun im Rahmen einer groß angelegten Abschlusskonferenz vor Ort vorgestellt. An die 300 geladene Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sollten in den Dialog mit den jungen Machern treten, um die Projekte auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen und gegebenenfalls die konkrete Zusammenarbeit einzuläuten.

Das Camp über das Camp
Die mussten sich aber erst einmal gedulden. Denn in den ersten 1,5 Stunden der Veranstaltung ging es zunächst einmal um das Camp selbst. Und das wurde von den 30 „Residents“, dem Palomar5-Team und dem Hauptunterstützer, der Deutschen Telekom AG, in all seinen Facetten dargestellt.

„We share the same core values“ lautete etwa das Fazit von Gustavo Morales (28, Mexico), der als Sprecher der Residents mit durchaus pastoraler Hingabe aus dem Camp-Alltag berichtete. Wie schnell sich die Teilnehmer trotz der ganz verschiedenen Backgrounds zu einem einzigen Team zusammenschweisten, hätte ihn völlig verblüfft. „Allow us to be more human, allow us to be humans!“, forderte Edward Harran, ein 25-jähriger Australier, das Publikum auf. Und die 20-jährige Kanadierin Salina Kanji erzählte, wie sie im Verlauf des Camps das Fahrradfahren lernte.

Klar, dass in den 6 Wochen Lagerleben auch das ein oder andere Ego gezähmt werden musste. So erläuterte Dominik Wind, Community-Manager des Palomar5-Teams, das Regelwerk des Lagerlebens. Maximen wie „Just keep saying yes!” oder die “Yes, and…”-Regel für konstruktive Kritik sollten die Camper während der langen Wochen der Isolation auf einen positiven Grundton einschwören.

Dass das gut funktionierte, belegten diese mehr als deutlich, als sie sich im Verlauf der Veranstaltung immer wieder mit frenetischen Beifallsbekundungen einschalteten. In ihren weißen Kapuzenpullis bildeten sie praktisch ihren eigenen Fanblock im ansonsten dunkel gekleideten und eher zurückhaltenden Auditorium. Beim Auftritt von Christopher Schläffer, Group Product & Innovation Officer der Deutschen Telekom sowie Mitglied des Executive Committee von T-Mobile International, ließen sie sich gar zu stehenden Ovationen hinreissen.

Dafür gab es denn auch reichlich Lob vom 40-jährigen Österreicher, der das Camp nach eigenen Angaben zweimal selbst besucht hatte. „You have kicked off something that is going to stay!“, warf er den begeisterten Residents zu. Und die digitale Generation habe ganz andere Ziele, als „Goldman-Sachs-Banker“ zu werden, um mit 30 ausgesorgt zu haben. Sie wolle die „Dinge zum besseren wenden“.

Dann ließ er noch ein paar Unternehmensmotive durchscheinen. „To attract the best talents of the world, we must drastically adapt“. Für Schläffer bot das Camp zugleich die Gelegenheit, die Arbeitsstile der digitalen Generation live zu studieren und sicherlich auch die ein oder andere Anregung für die heimischen Human Ressources mitzunehmen.

Die Projekte
Es war bereits kurz nach elf, als die ersten Projekte vorgestellt wurden. Diese boten einen bunten Anblick und bezogen sich eher zwanglos auf das Generalthema der Veranstaltung. Alasdair Bell (24, Großbritannien) beschrieb die Ineffizienz großer Konzernstrukturen und setzten ihnen einen Cluster von Startups entgegen. Beide Seiten sollen in Zukunft auf der von ihm ins Leben gerufenen Web-Plattform zusammenkommen. Valentin Heun (28, Deutschland) stellte Dada, den ersten Prototypen eines haptischen Datenspeichers vor, mit dessen Hilfe sich einfach Screenshots nehmen und transportieren lassen. Bradley Morris (25, Kanada) lud das Publikum zu einer Runde Meditation und präsentierte dazu das „Egg“, eine eiförmige Kabine für ein wenig Ruhe im stressigen Büroalltag.

Aber neben diesen ganz handfesten praktischen Ideen ging es mitunter auch reichlich konzeptuell zu. Maryanna Rogers (30, USA) und Axelle Tessandier (28, Frankreich) präsentierten „Show me Love“, ein Projekt, das für mehr Liebe zur Arbeit plädiert, Vorbilder des Berufslebens sammeln und in Buchform publizieren will. Kosta Grammatis (24, USA), stellte das Samara-Projekt vor. Das Satellitennetz der Zukunft soll auch in ländlichen Regionen der Erde für Internetzugang sorgen und dazu beitragen, das „Menschenrecht auf Information“ durchzusetzen.

Schließlich trat die 26-jährige Kanadierin Zeesy Powers noch mit einer ganz persönlichen Performance vor die live streamenden Kameras: Unter dem Motto „Total Honesty“ bat sie einen Probanden aus dem Publikum auf die Bühne, um ihm ihre spontane Meinung zu seiner Person ungefiltert auf den Kopf zuzusagen. Der gelassene Enddreißiger bedankte sich denn auch prompt für den Service, der ihn normalerweise einiges koste.
CC by smartworkers.net


„What’s the value of Palomar5?“
Gegen Mittag war die erste Runde der Projektvorstellungen gelaufen und es folgte ein erster Reality Check in Form einer Podiumsdiskussion. Neben Christopher Schläffer und Philippa Pauen aus dem Palomar-Team kamen Marc Prensky, Web-Vordenker und Schöpfer des „Digital Natives“-Begriffs sowie Holger Spielberg, CEO des Kölner Venture Capitalist 5th Floor, zu Wort. Nach einigen Aufwärmfragen zu den Motiven der „digitalen Generation“ und einem Abstecher zu den „68-ern“ ging es um den „Wert“ von Palomar5 und den vorgestellten Projekten. Was davon lässt sich professionell fördern?
Holger Spielberg als Investitionsexperte hielt sich in dieser Frage eher bedeckt. Erst auf Nachfrage stimmte er für das Dada-Projekt um Valentin Heun. Und auch die Gäste zeigten sich etwas skeptisch. „More relevance to real work“ lautete eine Eingabe aus dem Publikum, die vom niederländischen Moderator aufgegriffen wurde und einigen Beifall fand.
Zu einer ausgiebigen Diskussion dieser Frage kam es dann aber nicht mehr, denn es wartete bereits der nächste Programmpunkt. Gegen 13 Uhr luden die Residents zu einem Rundgang durch das Camp. Im Anschluss durften sich die Gäste bei einem Catering stärken und sich von den Camp-Bewohnern auf die für den Nachmittag geplanten Workshops einstimmen lassen.

Fazit
Welche Eindrücke bleiben von Palomar5? Wer sich bahnbrechende neue Einsichten in die Arbeitsprozesse der Zukunft erhofft hatte, dürfte am vergangenen Montag nicht unbedingt auf seine Kosten gekommen sein. Zu vielfältig waren die Motive der Camp-Teilnehmer, die zwischen sozialer Bewegung, Unternehmensgründung und Self Expression schwankten. Auch sind 6 Wochen der Konzeption natürlich kaum mehr als ein erster Anfang.
Dessen ungeachtet werden die Summit-Gäste Palomar5 als sehr gelungenen Prototypen eines innovativen Forschungs- und Arbeits-Camps in Erinnerung behalten. Was das ca. 10-köpfige Organisations-Team in einjähriger Arbeit auf die Beine gestellt hat, ist allemal bemerkenswert. Und wie man den Andeutungen der Planer und Förderer entnehmen konnte, haben wir im November 2009 erst den Auftakt zu einer ganzen Serie von Palomar-Camps erlebt.